Am 12.06.2025 fand beim Bielefelder Forum Jungen*arbeit ein Austausch zum Thema „Männlichkeit(en) und Vorbilder“ statt, bei dem Fachkräfte aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit verschiedener Bielefelder Einrichtungen von Erlebnissen und Eindrücken aus ihrer Arbeit berichteten.
Als thematischen Einstieg startete ConflictA-Mitarbeiter David Zimmermann mit einem Vortrag zu „toxischer Männlichkeit“, Frauen- und Queerfeindlichkeit. Direkt daran knüpfte der Austausch an, bei dem die anwesenden pädagogischen Fachkräfte zu diversen Themen ihre Eindrücke und Beispiele aus ihrer Arbeit schilderten.
Insgesamt beobachten die Fachkräfte in ihrer Arbeit eine zunehmende Bedeutung von Männlichkeit für Jungen*, die sich durch Attribute wie Härte, Stärke und Radikalität auszeichnet. Diese Radikalität wurde insbesondere anhand der Verwendung beleidigender Sprache und offenerer Zurschaustellung von Hass festgemacht. Zudem wird Männlichkeit als Gegenentwurf gegenüber allem definiert, was Jungen* als weiblich oder queer interpretieren. In einem Beispiel wurde deutlich, dass Queerfeindlichkeit ein Bindeglied zwischen jungen Menschen mit rechtsextremen Einstellungen einerseits und fundamentalistischen Glaubensvorstellungen andererseits darstellen kann.
So überrascht es nicht, dass neben den üblichen männlichen Vorbildern aus den Bereichen Fußball und Rapmusik, autoritäre Persönlichkeiten wie Trump bewundert oder als lustig empfunden werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit sozialen Medien und deren Inhalten findet laut den Fachkräften nicht statt, viel mehr dienen sie als einzige Informationsquelle. Als sehr problematisch schätzen sie neben der exzessiven Smartphone-Nutzung den ungehinderten Zugang zu menschenfeindlichen und nicht jugendfreien Inhalten im Netz ein.
Das Forum Jungen*arbeit über sich selbst:
„Das Forum Jungen*arbeit Bielefeld ist eine Arbeitsgemeinschaft von Pädagog:innen und weiteren Fachkräften, mit dem Ziel, die geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen* in Bielefeld zu fördern.
Das Forum Jungen*arbeit Bielefeld setzt sich monatlich an einem Donnerstag im Monat vormittags zusammen. Die Inhalte und Themenschwerpunkte werden verabredet, geplant und vorbereitet. Eine jährlich stattfindende Klausurtagung bietet zudem die Möglichkeit der intensiveren Zusammenarbeit.
Das Forum Jungen*arbeit Bielefeld lebt durch die aktive Mitarbeit ihrer Mitwirkenden. Eine finanzielle Förderung durch öffentliche Mittel gibt es bislang nicht.
Jungen*arbeit bedeutet die fachkundige Begegnung erwachsener Pädagog:innen mit Jungen* in pädagogischen Handlungsfeldern.“
Quelle
Außerhalb digitaler Sphären spielt die Vaterfigur stets eine große und prägende Rolle, unabhängig von dessen Präsenz oder Abwesenheit. Für manche Kinder und Jugendliche ist der Vater lediglich als Sanktions- und Kontrollinstanz präsent und gibt den Ton in der Familie mitunter gewaltsam an. In anderen Konstellationen ist der Vater nicht (mehr) da, worunter den Fachkräften zufolge insbesondere Jungen* leiden, da ihnen dadurch eine Identifikationsfigur und ein Wegweiser fehle.
Der produktive Umgang mit Konflikten bildet einen wichtigen Baustein in der Arbeit mit jungen Menschen, um die Grundregeln eines toleranten und verantwortungsbewussten Miteinanders zu lernen. Die Beispiele aus der Arbeitspraxis kommen dabei vielseitig zum Vorschein: Kinder lernen, für sich und andere einzustehen, wenn es zu Konflikten untereinander kommt. Oder eine männliche Fachkraft regt mit dem Lackieren seiner Fingernägel das Nachdenken über Rollenklischees und die eigene Positionierung an. Entscheidend sind ebenfalls das klare, konsequente Setzen von Grenzen und der Zusammenhalt unter Kolleg*innen.
Das Thema „Männlichkeit(en) und Vorbilder“ offenbart anhand der geschilderten Eindrücke und Beispiele verschiedene Aspekte und Herausforderungen, die Fachkräfte in der Arbeit mit jungen Menschen erleben. Welche Vorstellungen von Männlichkeitsbildern vorherrschen und inwiefern sie destruktive Auswirkungen auf Individuen und die Gemeinschaft haben, ist auch eine Frage für die Gesamtgesellschaft. Formate wie der Austausch beim Forum Jungen*arbeit bilden jedenfalls einen möglichen Startpunkt für weitere und tiefergehende Austausch- und Kooperationsmöglichkeiten – auch mit der ConflictA.
Text von: David Zimmermann
*Wir beziehen uns auf alle männlich gelesenen Personen und diejenigen, die sich als männlich identifizieren.